Ein Interview mit unserem medizinischen Berater Michael Söte über die Rückkehr in den aktiven Feuerwehr- und Rettungsdienst nach überstandener Covid-19-Erkrankung.
Im Bereich des Sporttauchens kam vor einigen Tagen die Frage auf, inwieweit sich eine SARS-Covid-19-Erkrankung auf die medizinische Tauchtauglichkeit auswirkt. Selbst bei einem Positivbefund ohne gravierende Symptome erlischt demnach sofort der Tauglichkeitsnachweis. Bei mittleren und schweren Verläufen wird von den Fachleuten der Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin (GTÜM), der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) und dem Verband Deutscher Sporttaucher (VDST) sogar zu einer Pause von bis zu sechs Monaten geraten, bevor überhaupt über eine neue Tauglichkeitsuntersuchung nachgedacht werden sollte.
Auch Feuerwehrleute, die im Einsatz unter Atemschutz arbeiten sowie Mitglieder der Taucherstaffeln von Feuerwehr und Polizei sind von dieser Thematik vielleicht direkt oder indirekt betroffen. Wie werden betroffene MitarbeiterInnen also möglichst schnell wieder gesund und fit, um wieder sicher in ihrem Beruf arbeiten zu können?
Hierzu konnten wir einige Fragen an Michael Söte, Anästhesist auf einer Intensivstation, ärztlicher Leiter des MKT in München und medizinischen Berater von ForLife, stellen.
ForLife: Wie wichtig ist körperliche Fitness im Feuerwehr- und Rettungsdienst?
Michael Söte: In kaum einem anderen Bereich ist die eigene körperliche Fitness wohl so wichtig, da sie nicht nur die Voraussetzung ist, um im Einsatzgeschehen die geforderte körperliche Leistung zu erbringen, sondern sie vor allem auch die individuelle Lebensversicherung der Einsatzkraft bedeuten kann.
Neben der fundierten Aus- und Weiterbildung und der materiellen Ausstattung ist eben die körperliche Fitness einer Einsatzkraft eine wichtige Ressource, die den Einsatzerfolg und die Gesundheit aller Beteiligten beeinflusst.
ForLife: Welche Auswirkungen einer SARS-Covid-19-Erkrankung auf die Atmungsorgane sind aktuell bekannt und gibt es Hinweise auf eventuelle Langzeitschäden?
Michael Söte: Am Beginn dieser Erkrankung sehen wir zurzeit auf der Intensivstation erst einmal die akuten Folgen. Dabei sind hauptsächlich die respiratorischen Symptome mit einer massiv beeinträchtigen Sauerstoffaufnahme durch das Lungengewebe eindrücklich. Daher ist es auch eine der wichtigsten Maßnahmen bei moderaten bis schweren Verläufen Sauerstoff zu applizieren. Im weiteren Verlauf können sich komplizierend z.B. Verschlüsse von Lungenarterien, also eine Lungenarterienembolie, oder eine bakterielle Superinfektion im Sinne einer „klassischen“ Pneumonie zusätzlich als schädigende Komponente auf die Lungenfunktion entwickeln.
In Obduktionen wurde bei verstorbenen Patienten der dauerhafte Verlust von funktionellem Lungengewebe durch Umbau gezeigt. Natürlich ist hier zu beachten, dass es sich um eben schwerste Krankheitsverläufe handelte. Mittelfristig zeigen Patienten häufig noch bei Entlassung aus einer stationären Versorgung Symptome, wie z.B. Husten, Kurzatmigkeit und reduziertes Leistungsvermögen, ohne dass dabei noch eine Viruslast nachgewiesen werden kann. Passend dazu bleiben auch im Röntgen oder bei einer CT der Lunge zum Teil auch noch Wochen nach der akuten Erkrankung Veränderungen sichtbar.
Wenn Patienten aus anderer Ursache ein Lungenversagen erlitten hatten wissen wir, dass es je nach Schwere zu langen Heilungsverläufen bis hin zu bleibenden Schäden kommen kann.
Covid-19 ist auch für uns alle völlig neu. Um spezifische, valide Langzeitschäden benennen zu können fehlen uns Erfahrungen, Daten und Studien. Das wenige was wir über Langzeitfolgen wissen beruht auf den Berichten der Kollegen aus dem Ausland, den ersten strukturierten Untersuchungen, wie z.B. Obduktionen auch hier zu Lande und vor allem auch durch Übertragung des Wissens aus vergleichbaren Erkrankungen.
Erfreulicherweise verlaufen die meisten Infektionen deutlich milder bis komplett asymptomatisch.
ForLife: Was passiert zum jetzigen Zeitpunkt mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Feuerwehren- und Rettungsdienste, bei denen ein Positivbefund auf Covid-19 gestellt wurde?
Michael Söte: Für die Mitarbeiter des Rettungsdienstes gelten die Weisungen der jeweils unteren Gesundheitsbehörde, die sich überwiegend an den Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes ausrichten und die des zuständigen Arbeitsmediziners.
Bei den Feuerwehren kommen noch die spezifischen Vorgaben der DGUV wie FwDV7 und FwDV8 sowie z.B. bei Werkfeuerwehren auch die betriebsmedizinischen Anweisungen hinzu.
Zudem kann man nicht jeden Covid-19 positiven Mitarbeiter mit einer „one fits all“-Schablone beurteilen. Es muss eine Einzelfallbeurteilung erfolgen, um den individuellen Krankheitsverlauf zu erfassen und die aktuelle Leistungsfähigkeit zu ermitteln.
ForLife: Wie werden die MitarbeiterInnen wieder in den Dienst eingegliedert?
Michael Söte: Auch hier muss anhand der Arbeitsplatzbeschreibung und der damit zu erwartenden körperlichen Anforderungen in Kombination mit der aktuell gegebenen Leistungsfähigkeit über den Zeitpunkt und Umfang der Rückkehr ins Arbeitsumfeld entschieden werden. Bei den asymptomatischen und leichten Fällen ist der Schwerpunkt sicher auf den Bereich der sicheren nicht-Infektiösität des Mitarbeiters und den Zeitpunkt der Rückkehr in den Dienst zu setzen.
Bei den Fällen, die stationärer oder gar intensivmedizinischer Behandlung bedurften, muss der Fokus auf der Erfassung der Genesung des Mitarbeiters liegen, um auch die Sicherheit im Dienst und explizit im Einsatz zu gewährleisten. Dies kann sich natürlich den Berufsbildern geschuldet als schwierig erweisen. Man kann ja weder nur ein bisschen Reanimieren noch nur halb in den Innenangriff gehen.
ForLife: Was sagt der Deutsche Feuerwehrverband zu der Thematik?
Michael Söte: Der Deutsche Feuerwehrverband hat am 19. April dieses Jahres eine mehrseitige Stellungnahme mit der Frage veröffentlicht, ob nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 grundsätzlich eine erneute Untersuchung nach G.26-3 notwendig ist. Dabei wird von Bundesfeuerwehrarzt Klaus Friedrich anhand von fünf Thesen die Einschätzung des Verbandes erläutert. Er kommt zu dem Schluss, dass es immer um das individuelle und personenbezogene Risiko des Feuerwehrangehörigen und nicht um grundsätzliche Aussagen zu bestimmten Erkrankungen geht. Es muss also im Einzelfall entschieden werden, ob eine Nachuntersuchung notwendig ist. Zudem appelliert mein Kollege in diesem Text an die Eigenverantwortung der Feuerwehrleute, sobald sich Zweifel an der körperlichen Eignung ergeben.
Hierbei spielt die enge Kooperation mit dem verantwortlichen Arbeitsmediziner eine entscheidende Rolle.
ForLife: Reicht eine arbeitsmedizinische G26.3-Untersuchung an dieser Stelle aus, um die Einsatzfähigkeit vollständig zu beurteilen?
Michael Söte: Grundsätzlich hat eine erfolgreich abgeleistete G26.3 eine Gültigkeit von ein bis drei Jahren. Im Falle einer relevanten Operation oder schwerwiegenden Erkrankung muss eine vorzeitige Nachuntersuchung erfolgen. Auch schon der subjektive Zweifel der Einsatzkraft an der eigenen Leistungsfähigkeit muss ein Trigger für eine erneute medizinischen Beurteilung der Leistungsfähigkeit sein.
Neben Anamnesegespräch und körperlicher Untersuchung werden auch apparative Methoden angewandt, um die Leistungsfähigkeit einzuschätzen. Darunter fällt auch die Spirometrie, in der unter Ruhebedingungen verschiedene Lungenvolumina und Strömungsgeschwindigkeiten gemessen werden. Die Spirometrie bietet eine orientierende Untersuchung der Lungenfunktion. Dazu muss additiv ein Belastungs-EKG, klassisch auf dem Fahrrad, durchgeführt werden.
Die G26.3 ist das offizielle Instrument der Erfassung der Tauglichkeit nach FwDV7. Kritisieren kann man daran, dass diese Untersuchung nicht den tatsächlich notwendigen Leistungsumfang eines z.B. heißen Innenangriffes ablichten kann. Zudem sind die Anforderungen, die der Einzelne leisten muss, lediglich nach dem Alter definiert.
Keine Einzeluntersuchung kann nur für sich gesehen die Einsatzfähigkeit im Ganzen erfassen und im individuellen Kontext objektiveren. Vielmehr erst die Zusammenschau aller individueller Informationen und Parameter kann dabei helfen die Fitness zu ermitteln. Je präziser dabei Untersuchung und Diagnostik, je wertiger der Informationsgewinn.
ForLife: Gibt es eine Möglichkeit, dass sich die MitarbeiterInnen subjektiv wieder vollkommen gesund fühlen, in ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit aber weiterhin eingeschränkt sind?
Michael Söte: Ja, das ist durchaus denkbar. Leistungseinbußen können durchaus erst im Hochleistungsbereich relevant werden, gerade wenn der Mitarbeiter auch vor der Covid-19-Erkrankung sehr leistungsfähig war, also körperliche Reserve zur Verfügung hat, die ihn viel Leistungsverlust unbemerkt kompensieren lässt. Oder vielleicht hat der Mitarbeiter seine Erkrankung auskuriert und es danach „langsam angehen“ lassen, also vernünftigerweise geschont und sich damit natürlich auch keinen Leistungsspitzen im Umfang eines Einsatzes exponiert. Dann wird erst im Einsatz ein Defizit demaskiert. Auch denkbar wäre natürlich, dass sich der Einzelne die herabgesetzte eigene Fitness nicht zugestehen kann oder bagatellisiert. Hier in Bayern würde das „passt schon“ heißen. Eine allzu menschliche Reaktion.
ForLife: Wie könnte an dieser Stelle, die Freigabe durch den behandelnden Mediziner vorausgesetzt, eine Leistungsdiagnostik mit Hilfe einer Spiroergometrie helfen?
Michael Söte: Ergänzend zu den Ruhewerten der Spirometrie bietet die Spiroergometrie die messbare Dynamik der steigenden, körperlichen Belastung und Leistung. Dazu werden auch die Sauerstoffaufnahme und der Sauerstoffverbrauch ermittelt. Wird diese Untersuchung noch um die serielle Laktatmessung ergänzt, bildet man die Leistungsfähigkeit objektivierbar ab. Aus dem Bereich der Sportmedizin und sportmedizinischen Leistungsdiagnostik kennt man diese „Messwert-Paletten“.
ForLife: Welche Vor- oder Nachteile hätte eine solche Untersuchung für die MitarbeiterInnen?
Michael Söte: An erster Stelle gibt sie dem Mitarbeiter eine mess- und vergleichbare Punktanalyse der zum Zeitpunkt der Untersuchung abrufbaren Leistungsfähigkeit. Im besten Fall also die Gewissheit, dass die eigene Leistungsfähigkeit ohne Einschränkung gegeben ist und keine Covid-19 assoziierten Folgen messbar sind. Sind jetzt leider aber doch Einbußen zu sehen, kann dem Mitarbeiter gezeigt werden, in welchen Bereichen er Leistung verloren hat und auch wie er diese wieder auftrainieren kann. Wünschenswert sind in diesem Zusammenhang Vorwerte aus früheren Messreihen.
ForLife: Wie kann auch der Arbeitgeber davon profitieren (z.B. für eine Gefährdungsbeurteilung)?
Michael Söte: Auch dem Arbeitgeber gibt es die objektivierbare Sicherheit körperlich uneingeschränkt belastbare Mitarbeiter in den Einsatz zu schicken. Oder auch im umgekehrten Fall die Möglichkeit Mitarbeiter gezielter einzusetzen. Dies ist natürlich auch außerhalb einer Corona-Pandemie im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung denkbar.
ForLife: Welche Maßnahmen könnten bei der schnellen Wiederherstellung der vollständigen Einsatzfähigkeit helfen?
Michael Söte: Voraussetzung ist zunächst die vollständige, subjektive Genesung. Wer noch Symptome der Infektion anhaltend oder wiederkehrend zeigt, darf weder unkritisch zum Alltag und schon gar nicht in die Einsatztätigkeit zurückkehren. Dann muss eine stille Verbreitung durch den ehemals infizierten Mitarbeiter natürlich ausgeschlossen sein. Zurzeit bedeutet dies nach 14-tägiger Symptomfreiheit zwei negative Abstrich-Ergebnisse. Ob und wie Antikörpertestung oder Verbesserung der Abstrich-Technik eine Änderung dieser Forderung zur Folge hat bleibt abzuwarten.
Dann greifen letztendlich grundsätzliche Prinzipien der Trainingsgestaltung bzw. Fragestellungen in Bezug auf die eigene Fitness: Wo stehe ich? Wo will ich hin? Wie komme ich da hin? Dabei ist sowohl die Unter- als auch die Überforderung zu vermeiden. Ein individuelles und ganzheitliches Training mit Berücksichtigung der besonderen Anforderungen des Berufsbildes kann dabei sehr hilfreich sein. Das es Abseits von der aktuellen Thematik auch typische, vermeidbare Risikofaktoren gibt oder eben auch der Gesundheit förderliches Verhalten darf ich als bekannt voraussetzen.
ForLife: Vielen Dank für das Gespräch.
Wir können bei der Wiedereingliederung unterstützen!
ForLife betreut seit mehr als 20 Jahren Feuerwehren in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz in den Bereichen Diagnostik und Training. Wir nutzen unser sportwissenschaftliches Know-how, damit die Retterinnen und Retter gesund und fit im Dienstalltag, vor allem aber auch im Einsatz sind.
Aktuell stehen wir aber vor ganz anderen Herausforderungen. Denn nach einer überstandenen Covid-19-Erkrankung und der verdienten Genesungspause stellt sich die Frage: bin ich wieder fit genug für den Einsatz?
In Absprache mit dem behandelnden Arzt bestimmen wir, wie auch bei Profisportlern üblich, mit Hilfe einer Leistungsdiagnostik (Spiroergometrie) das individuelle Fitnessniveau. Die Ergebnisse helfen uns dabei, ein maßgeschneidertes Trainingsprogramm zu entwickeln, das zielgenau und vor allem effizient für Fortschritte sorgt.
So verhindern wir leere Trainingseinheiten, die im schlimmsten Fall sogar schädlich sein können und eine Rückkehr in den aktiven Dients hinauszögern.
Zum Interviewpartner Michael Söte
- Anästhesist und Notarzt am Klinikum Dachau
- Ärztlicher Leiter des MKT München
- Zuvor RS, RA, LRA und OrgL im Rettungsdienst Euskirchen
- Mehr als 20 Jahre Erfahrung im Feuerwehrbereich