Tunnelrettung auf einem neuen Level

In einem Land, in dem mehr als 73 Prozent der Fläche aus Bergen besteht, sind Tunnel eine alltägliche Selbstverständlichkeit. Je mehr Tunnel es gibt, desto größer ist aber auch die Gefahr, dass in den engen Röhren Unfälle passieren. Aber welche physischen und psychischen Belastungen kommen dabei auf die Rettungskräfte zu, die im Notfall ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen?

Im Feuerwehrleute auf die gefährlichen Einsätze möglichst optimal vorzubereiten, nutzt die Österreichische Feuerwehr in der Steiermark ab sofort ein hochmodernes und europaweit einzigartiges Tunneltrainingszentrum.

Das ForLife-Team durfte den Pilotlehrgang, zu dem ausschließlich Ausbilder der österreichischen Landesfeuerwehrverbände eingeladen waren, unter sport- und trainingswissenschaftlichen Gesichtspunkten begleiten. Obwohl wir bereits unzählige Belastungsübungen organisiert, durchgeführt und ausgewertet haben, war das Tunnel-Szenario auch für ForLife eine Premiere.

„Die Österreicher sind absolute Experten auf dem Gebiet der Tunnelrettung und kennen sich mit solchen Einsätzen bestens aus“, so Michael Gissinger. „Daher war es für uns besonders spannend zu sehen, welche körperlichen Belastungen auf die Einsatzkräfte in diesem besonders real gestalteten Umfeld zukommen.“

Vor Übungsbeginn wurden einige der Teilnehmer mit Herzfrequenzmessern ausgestattet, gefolgt von einem Laktattest zur Bestimmung der individuellen Ausgangsbasis. Nach der erfolgreichen Übung wurde dann noch einmal die Laktatkonzentration im Blut der Probanden bestimmt. Der Herzfrequenzverlauf und der Luftverbrauch während der Übung haben dann die Messergebnisse vervollständigt.

„Mit einer Decke über dem Kopf ist die psycho-physische Belastung erkennbar höher als bei Übungen mit vergleichbaren Anforderungen“, so Gissinger weiter. „Die realitätsnahe Umgebung lässt die Feuerwehrleute schnell vergessen, dass es sich nur um eine Übung handelt. Insgesamt ist die körperliche Belastung sehr hoch, wobei die körperlich fitteren Kollegen hier natürlich deutlich im Vorteil sind.“

Allerdings mussten Michael Gissinger, der vor Ort von Leistungsdiagnostiker und Ausdauer-Experten Bastian Nuhn unterstützt wurde, für die Übungsbegleitung auch die Grenzen der bei ForLife verfügbaren Mess-Technik ausreizen. Die Messdaten waren zwar so weit in Ordnung, doch bei der Durchführung sorgte das bisher genutzte System von Polar für ungewohnte Probleme.

„Damit wir bei so besonderen Übungen wie beim Einsatztraining im Tunnel, die ja auch bei ForLife eher die Ausnahme sind, zukünftig noch besser aufgestellt sind, haben wir bereits ein neues, deutlich leistungsfähigeres biometrisches System ins Auge gefasst“, so Michael Gissinger.

Insgesamt sorgte das Trainingszentrum für leuchtende Augen und ließ auch den Feuerwehrmann in Michael Gissinger strahlen. „In solch einer Anlage zu üben ist für jeden Feuerwehrmann sicherlich ein absolutes Highlight“.

Tunneltraining im „Zentrum am Berg

Am österreichischen Erzberg befindet sich Europas größter Eisenerz-Tagebau und genau hier hat die Montan-Universität Leoben das „Zentrum am Berg“ eingerichtet. Die Versuchs- und Forschungsanlage besteht aus insgesamt vier Tunneln mit jeweils einer Länge von 400 Meter.

In den je zwei parallel geführten Straßen- und Eisenbahntunneln, die durch originalgetreue Querschläge bzw. Rettungsstollen verbunden sind, lassen sich dank einer realitätsnahen Ausstattung ebenso realistische Einsatzszenarien durchführen. Die Gesamte Anlage wurde nach aktuellen Bau- und Ausrüstungsvorschriften errichtet und bietet insgesamt knapp 800 Tunnelmeter für Forschung und Ausbildung.

Im Übungsbereich für die Feuerwehr befinden sich eine LKW- und eine PKW-Attrappe, die mit Brandvorrichtungen ausgestattet sind, so dass auf Knopfdruck auch relativ große Brandereignisse simuliert werden können. Die Einsatzkräfte können dabei in einer Umgebung üben, bei denen sogar die Fluchtwegeabstände, das Rauchverhalten, das Raumvolumen und die Belüftungsanlage exakt mit der Realität übereinstimmen.